Qualifikationsverfahren (Prüfungen, u. a. die Abschlussprüfung) dienen der Feststellung von beruflichen Handlungskompetenzen, die für jeden Beruf in einer speziellen Bildungsverordnung festgelegt sind. Der Nachweis erfolgt durch eine Gesamtprüfung, eine Verbindung von Teilprüfungen oder durch andere vom SBFI anerkannte Qualifikationsverfahren.
Anforderungen. Die Qualifikationsverfahren müssen verschiedenen Anforderungen genügen. Grundsätzlich orientieren sie sich an den Zielen und Anforderungen der massgebenden Bildungsverordnung. Sie bewerten und gewichten die mündlichen, schriftlichen und praktischen Teile im Hinblick auf die Besonderheiten des entsprechenden Qualifikationsbereichs und berücksichtigen die Erfahrungsnoten aus Schule und Praxis. Die gewählten Verfahren müssen immer der Zielgruppe angepasst sein und mit einem vertretbaren Aufwand durchgeführt werden können.
Grosser Gestaltungsspielraum. Das Berufsbildungsgesetz aus dem Jahr 2002 bietet einen grossen Gestaltungsspielraum für die Beurteilung der jeweils geforderten beruflichen Handlungskompetenzen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten die erworbenen Qualifikationen zu bewerten:
- Schriftliche und mündliche Prüfungen. Eignen sich vor allem zum Abfragen von Wissen und theoretischen Grundlagen. Angepasste Aufgabenstellungen ermöglichen auch komplexere Aufträge (Problemlösung).
- Praktische Arbeiten. Eignen sich zum Überprüfen von Handlungskompetenzen sowie zum Umsetzen von theoretischen Grundlagen und theoretischem Prozesswissen.
- Erfahrungsnote. Ergibt sich aus dem arithmetischen Mittel der in der jeweiligen Bildungsverordnung festgelegten Anzahl von Noten und bildet eine Position bei der Berechnung der Gesamtergebnisse. Die Erfahrungsnoten widerspiegeln die Leistungen nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern über einen längeren Zeitraum und werden damit dem Lernfortschritt gerecht. Erfahrungsnoten können in allen Lernorten (Lehrbetrieb, Berufsfachschule, überbetriebliches Kurszentrum) ermittelt werden.
- Kombinierte Verfahren. Eignen sich zum Überprüfen von Handlungskompetenzen, von individuellen Lernleistungen und -fortschritten sowie zum Überprüfen der Anwendung von Grundlagenwissen und Prozesswissen. Beispiele:
• Individuelle praktische Arbeit (IPA)
• Vorgegebene praktische Arbeit (VPA)
• Vertiefungsarbeiten
• Fachgespräch
Bei allen Formen müssen die vier Gütekriterien berücksichtigt werden:
- Gültigkeit. Das Wissen und die Fähigkeiten, die bei den Lernenden überprüft werden, müssen den Zielen und Anforderungen entsprechen, d.h., dass nur schulischer Stoff und praktische Fertigkeiten geprüft werden, die auch tatsächlich vermittelt wurden.
- Zuverlässigkeit. Prüfungen müssen fehlerfrei bewertet werden können. Es dürfen keine Messfehler auftreten, die das Prüfungsergebnis und somit die Bewertung der Prüfung verfälschen können. Für alle Kandidatinnen und Kandidaten sollen bei der Durchführung, Auswertung und Interpretation der Prüfung möglichst gleiche Bedingungen herrschen.
- Chancengleichheit. Die Prüfung soll sich in Form und Inhalt an den Lernbedingungen orientieren, die für die Lernenden auch während der beruflichen Grundbildung gegeben waren. Dazu werden schulische bzw. betriebliche Lernbedingungen gezählt (Lehr- und Arbeitsmittel, Lehrpersonen, Berufsbildungsverantwortliche etc.).
- Ökonomie. Für die Durchführung und Auswertung einer Prüfung sollten sich Zeitaufwand und Materialverbrauch in einem vernünftigen Rahmen bewegen.
Quelle: Handbuch betriebliche Grundbildung, SDBB 2013