In den 50er-Jahren begann in der Schweiz ein beispielloses wirtschaftliches Wachstum, das abgesehen von einigen Unterbrüchen bis Anfang der 90er-Jahre dauerte. Auch in der Berufsbildung stieg die Zahl der Lehrverhältnisse von 59’000 (1929), 77’000 (1950) bis auf 186’000 (1986) und 170’000 (1990). In den 60er-Jahren gingen die Lehrlingszahlen ein erstes Mal zurück. Ein wichtiger Grund ist darin zu sehen, dass die Mittelschulen immer mehr Jugendliche aufnahmen. Die Vertreter und Vertreterinnen der klassischen Berufsbildung waren aufgerufen, sich dieser Herausforderung zu stellen. Die Berufsbildung musste wieder attraktiver und eine echte Alternative zu rein schulischen Bildungswegen werden.
Inhalte. 1972 legte eine eidgenössische Experten- und Expertinnenkommission ihren Schlussbericht vor. Ohne das Prinzip der Betriebslehre anzutasten, schlug sie eine grosse Zahl von Reformen vor. Nach einigen Verordnungsänderungen wurden schliesslich die Arbeiten für die Revision des Berufsbildungsgesetzes an die Hand genommen. Das Bundesgesetz über die Berufsbildung vom 19. April 1978 konsolidierte das unter der bisherigen Gesetzgebung Erreichte. Etliche Vollzugsnormen wurden klarer und strikter ausgestaltet, entsprechend der unter dem bisherigen Gesetz gemachten Erfahrungen, zum Beispiel:
- Verbot der Akkordarbeit
- Definition des Schultags als Arbeitstag
- Pflicht des Einreichens der Lehrverträge an die kantonale Behörde vor Lehrbeginn.
Das Gesetz brachte auch einige markante Neuerungen:
- Die Ausbildung wird auf drei Lernorte (Lehrbetrieb, Einführungskurse, Berufsschule) verteilt
- Die Berufsschule bekommt fest umrissene Aufgaben zugeteilt: eigenständiger Bildungsauftrag
- Die überbetriebliche Vermittlung der grundlegenden Fertigkeiten wird obligatorisch: Einführungskurse
- Der zusätzliche und der freiwillige Unterricht für Lehrlinge werden zum Rechtsanspruch: Freifächer, Berufsmittelschule BMS
- Die Hilfsmittel für die praktische Ausbildung werden verbessert: Modell-Lehrgang, Ausbildungsbericht
- Die Lehrmeister und Lehrmeisterinnen werden verpflichtet, spezielle Ausbildungslehrgänge zu absolvieren: Lehrmeisterkurs
- Es werden Gefässe für Leistungsschwächere geschaffen: Stützkurse und Anlehren
- Die Bezeichnung und gesetzliche Verankerung von Institutionen der höheren Berufsbildung erfolgt: Technikerschulen TS, Höhere Technische Lehranstalten HTL und Höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschulen HWV
- Lehre und Forschung am Schweizerischen Institut für Berufspädagogik werden gesetzlich verankert: Aus- und Weiterbildung der Berufsschullehrer/innen, Berufsbildungsforschung
Programm. In Artikel 6 des Berufsbildungsgesetzes wird die Zielsetzung programmatisch formuliert: „Die berufliche Grundausbildung vermittelt die zur Ausübung eines Berufs notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse. Sie erweitert die Allgemeinbildung und fördert die Entfaltung der Persönlichkeit und das Verantwortungsbewusstsein. Sie bildet ferner die Grundlage zur fachlichen und allgemeinen Weiterbildung.“
Erweiterung. Das Berufsbildungsgesetz geht vom Regelfall Betriebslehre aus, die in einem privaten oder öffentlichen Betrieb mit gleichzeitigem Besuch der Berufsschule und der Einführungskurse absolviert werden kann. Das Gesetz schliesst aber andere Arten der beruflichen Grundausbildung nicht aus, so die Berufslehre in einer Lehrwerkstätte und die Ausbildung in einer öffentlichen oder privaten Handelsmittelschule. Andere Formen der beruflichen Ausbildung werden faktisch dadurch anerkannt, dass deren Absolventen und Absolventinnen die Lehrabschlussprüfung ablegen und damit zum eidgenössischen Fähigkeitszeugnis gelangen. Das sind private Fachschulen und Personen mit Berufserfahrung (Art. 41.1/2 BBG).