3.2.2 Das Lehrverhältnis


Das Berufsbildungsgesetz gibt den Vertragsparteien ein umfangreiches Pflichtenheft vor. Alle Vertragsparteien – Lehrbetrieb, lernende Person (sowie ihre gesetzliche Vertretung, meist Eltern) – haben auch Rechte, die wechselseitig zu den Pflichten wirken. Der Lehrbetrieb ist für die berufliche Grundbildung zwar nicht allein verantwortlich, bleibt aber trotz der Berufsfachschule und des überbetrieblichen Kurses zentraler Akteur im dualen Bildungssystem und wichtigster Bezugsort für die lernende Person.

Information. Der Berufsbildner hat die lernende Person über die Rechte und Pflichten zu orientieren. Während der beruflichen Grundbildung hält er sie über alle wichtigen Massnahmen der beruflichen Grundbildung auf dem Laufenden. Die lernende Person soll den Bildungsplan kennen und für die Ausbildung ein Mitspracherecht haben. Beide führen regelmässig ein offenes Gespräch. Nach dem Berufsbildungsgesetz von 2004 ist der Lehrbetrieb nicht mehr gesetzlich verpflichtet, drei Monate vor Beendigung des Lehrverhältnisses mitzuteilen, ob eine Weiterbeschäftigung im Lehrbetrieb möglich ist. Trotzdem sollte die lernende Person so früh wie möglich diesbezüglich informiert werden.

Ausbildung. Die berufliche Ausbildung in einem Lehrbetrieb richtet sich nach der Bildungsverordnung, in der Inhalte und Ziele festgelegt sind. Die Berufsbildnerin geht systematisch vor, wobei ihr Hilfsmittel wie der Bildungsplan (je nach Beruf auch: das Ausbildungsprogramm für die Lehrbetriebe oder der Modell-Lehrgang) zur Verfügung stehen – und sorgt für eine fachlich kompetente und verständnisvolle Ausbildung. Sie achtet auf eine gute Koordination der praktischen Ausbildung mit den Lehrplänen der Berufsfachschule und der überbetrieblichen Kurse.

Ausbildungsverantwortung. Diese beinhaltet grundsätzlich auch einen Erziehungsauftrag. Im Zentrum steht der ständige Dialog. Die Berufsbildnerin begleitet die lernende Person und verfolgt ihre Entwicklung. Es hat sich bewährt, wenn die lernende Person eine Lerndokumentation führt. Dies ist auch empfohlen, wenn die Bildungsverordnung es nicht vorschreibt. Schliesslich gehört zu den Pflichten der Berufsbildnerin, die lernende Person zum lückenlosen Besuch der obligatorischen überbetrieblichen Kurse und zum obligatorischen Unterricht an der Berufsfachschule anzuhalten.

Arbeitnehmerschutz. Es geht hier nicht um besondere Schutzvorschriften bei einem Lehrverhältnis, sondern um solche, die Arbeitnehmer im Allgemeinen, Jugendliche und Arbeitnehmerinnen im Besonderen schützen und beim Lehrverhältnis immer zu beachten sind. Beim Abschluss eines Lehrvertrags haben folgende Vorschriften eine wichtige Bedeutung:

Unterricht an der Berufsfachschule. Die obligatorische schulische Bildung, der Berufsmaturitätsunterricht sowie die Frei- und Stützkurse gelten als Arbeitszeit und müssen vom Lehrbetrieb bis zu einem Umfang von zwei Tagen pro Woche gestattet werden. Die für die überbetrieblichen Kurse und die Abschlussprüfung benötigte Zeit darf nicht vom Lohn abgezogen werden. Ebenso dürfen der lernenden Person keine Kosten (z.B. für überbetriebliche Kurse, Schulgelder oder Gebühren) entstehen.

Bildungsbericht. Der Bildungsbericht wird in der Regel halbjährlich erstellt und ergänzt die vielen kürzeren und längeren Gespräche aus dem beruflichen Alltag. Das Bildungsberichtsgespräch ist nicht spontan, sondern immer vorbereitet und strukturiert. Häufig wird neben der betrieblichen Grundbildung das Zeugnis der Berufsfachschule besprochen. Es werden Zielvereinbarungen abgeleitet, die später wieder überprüft werden. Das SDBB stellt für den Bildungsbericht ein Formular zur Verfügung.

Standortbestimmung. Wie im Berufsbildungsgesetz und in der Verordnung (BBG Art. 19; BBV Art. 12 Abs. b) erwähnt, können Standortbestimmungen vorgesehen werden. Sie sind in den jeweiligen Bildungsverordnung festgehalten. Standortbestimmungen sind Weichenstellungen und zeigen den weiteren Bildungsverlauf auf. Sie ersetzen den Bildungsbericht nicht. Bei einer Standortbestimmung werden die vorhandenen Beurteilungsgrundlagen aus der beruflichen Praxis und der schulischen Bildung zu einer Gesamtbeurteilung zusammengefasst. Anhand der Resultate werden Lösungen erarbeitet, wie beispielsweise Verkürzung oder Verlängerung der beruflichen Grundbildung oder Besuch von Stützkursen.

Lerndokumentation. Die meisten Bildungsverordnungen schreiben das Führen einer Lerndokumentation (früher Arbeitsbuch) vor. Sie ist ein Instrument zur Förderung der betrieblichen Bildung. Die lernende Person hält in der Lerndokumentation fest: Alle wesentlichen Arbeiten, die erworbenen Fähigkeiten und die Erfahrungen, die sie im Lehrbetrieb macht. Die Berufsbildnerin bzw. der Berufsbildner ersieht aus der Lerndokumentation den Bildungsverlauf, das Berufsinteresse und das persönliche Engagement der lernenden Person.

Die lernende Person. Sie muss ihr Bestmögliches tun, um das Bildungsziel zu erreichen. Dafür leistet sie Arbeit im Lehrbetrieb, besucht lückenlos den Berufsfachschulunterricht und die überbetrieblichen Kurse und legt am Schluss der beruflichen Grundbildung die Abschlussprüfung ab. Dazu hält sie sich an die Anordnungen der Berufsbildner/innen und der anderen Fachkräfte des Betriebs, die der lernenden Person einen Teil der beruflichen Praxis vermitteln sowie an die Weisungen der Aufsichtsbehörde gegenüber der sie auch auskunftspflichtig ist.

Quelle: Handbuch betriebliche Grundbildung, SDBB 2013







 

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