4.2.9 Berufsleute: Adrian Frutiger, Typograph


Waren Sie schon in Paris? Ja, dann waren Sie auch in der Metro und haben die Beschriftung gesehen; gesehen, aber wohl kaum beachtet. Und haben Sie die Briefe, die Autos, die Tafeln – alles was geschrieben ist – von DIE POST genau angeschaut? All das: Hunderte Male gesehen und nicht beachtet! Oder sagen Ihnen die Namen „Serifa“, „Meridian“, „Lynotype Cetennial“ oder „Univers“, „OCR-B“ und „Frutiger“ etwas? – „Univers“? – Der vielleicht am ehesten.

Beruf. Es geht um Adrian Frutiger (24.5.1928-10.9.2015), der als Typographie-Lehrling begann und heute einer der bedeutendsten Schriftengestalter ist. Frutiger ist zwar nicht auf seinem gelernten Beruf im engeren Sinn geblieben, aber sein erster Beruf war für seinen Werdegang Ausgangs- und Orientierungspunkt zugleich. Frutiger verkörpert in idealer Weise das, was Beruf in seinem Innersten ausmacht: Das Produkt guter Arbeit steht im Vordergrund, die Person wirkt im Hintergrund. Die Arbeit von Frutiger kennen nun wirklich alle, in der Schweiz sowieso. Wir brauchen sie täglich, wenn wir lesen und schreiben, ohne davon zu wissen. Das Produkt erfüllt seinen Zweck, gerade weil es nicht auffällt. Der Mensch, der das Produkt geschaffen hat, ist unbekannt. Für Grafiker und die Berufsleute im Druckergewerbe ist Adrian Frutiger ein guter Vertrauter – und ein Massstab für Qualität. Adrian Frutiger verkörpert aber noch etwas Zweites. Das, was man mit dem Fundament einer guten Berufslehre aus sich selbst machen kann. Die Möglichkeiten sind nach oben offen und Frutiger gibt uns ein Beispiel dafür, wie weit man kommen kann. Nur mit der Qualität der Berufsarbeit ist er weltbekannt geworden, ohne Weltstar zu sein.

Berufung. Frutiger wurde 1928 in Interlaken geboren. Er machte eine Lehre als Schriftsetzer. Dort erhielt er den Impuls, sich vertieft mit den Schriften auseinanderzusetzen, als ihm sein Lehrmeister im letzten Lehrjahr die Aufgabe übertrug, ein Büchlein über die alten Kirchen seiner Region von A – Z im Alleingang zu gestalten: Er suchte die Kirchen aus, schrieb den Text, gravierte die Illustrationen, bestimmte die Typographie und überwachte den Druck. Dank dieser Arbeit wurde er an der Kunstgewerbeschule Zürich aufgenommen, die er mit einer Diplomarbeit über die alten Schriften (von den alten Römern bis zur Gothik) in Form von Holzschnitten abschloss.

Die Laufbahn. Danach begann er – nach einem Jahr Arbeit in einer Schriftengiesserei – als Schriftengestalter. Sein Berufsleben verbrachte er fast ausschliesslich in Paris. Dort hat er auch während etwa zehn Jahren als Lehrer an der „Ecole des Arts décoratifs“ gewirkt und ist mit dem „Chevalier des arts et des lettres“ geehrt worden. Als eine weitere seiner vielen Auszeichnung ist der 1986 verliehene Gutenberg-Preis zu erwähnen. U.a. war er für folgende Firmen tätig: IBM (Kugelkopf-Schreibmaschine), Stempel AG – später Linotype Library, Metro Paris, Flughafen Charles de Gaulle, DIE POST (Schweiz), die französischen Nationalmuseen (Logo) oder die Zeitung „Die Zeit“ (die Titelschrift ist von Frutiger).

Der Gestalter. Er gilt als der Erste, der nicht einfach alt vertraute Bleischriften für den Fotosatz adaptierte, sondern neue Schriften für den Fotosatz entwarf (Egyptienne). Auch an der Entwicklung von Schriften für das automatische Lesen war er beteiligt. Die 1968 von ihm entworfene und 1973 von der Computer-Industrie zum Weltstandard erklärte OCR-B (Optical Character Recognition) stammt aus seiner Feder.

Die Verwurzelung im Beruf. Die allgemein bekannteste Schrift ist die Univers, eine Familie mit 21 Typensätzen, die im Gegensatz zu anderen Schriften nicht erst im Nachhinein entwickelt wurde. Alle Varianten haben die gleiche X-Höhe. Der Setzer kann so ohne Schwierigkeiten die Schrift auf der Seite auf verschiedene Art und Weise platzieren. Das Berufsdenken Frutigers kommt hier zum Ausdruck: Es reicht nicht, einfach eine schöne Schrift zu entwerfen, denn ihre Qualität zeigt sich erst im Gebrauch. Es kommt darauf an, wie das Werkzeug „Schrift“ in der Praxis tausendfach gebraucht wird. Der Gestalter kontrolliert die Qualität auch dann noch, wenn andere die Schrift verwenden. Das ist nur möglich, wenn der Gestalter wie ein Typograph denkt und handelt – oder wie in diesem Fall: Sich immer noch als solcher fühlt.

Der Weg der Erfindung. „Alles was wir heute tun, ist Grundlage für morgen. Alles Gegenwärtige ist auf der Erfahrung aus der Vergangenheit aufgebaut. Alles Zukünftige ist im Gegenwärtigen schon vorhanden. Das heutige Werk ist in der Geschichte menschlichen Schaffens verankert, und wenn es wertvoll ist, dann ist es das Fundament für die Zukunft. Der Werkmann trägt deshalb eine doppelte Verantwortung: Im Schlussstein der Vergangenheit und zugleich im Grundstein für die Zukunft den eigentlichen Weg des menschlichen Erfindens zu erkennen.“ Zitat von Adrian Frutiger.







 

anzeigen
drucken
zurückvorwärts
downloads
powerpoint download
bild download - beste qualit?t
word download