4.2.5 Berufsleute: die Schreinerklasse


Eine Schreinerklasse Berufsfachschule Obwalden steht vor der Beendigung des dritten Jahres der beruflichen Grundbildung. Aus diesem Anlass haben sich Fachlehrer Schälin und der Allgemeinbildner Kälin zusammen getan, um mit ihren Schülerinnen und Schülern über die berufliche Zukunft zu sprechen. Kälin formuliert die Aufgabe: „In einem Jahr seid ihr an der Abschlussprüfung. Darauf werdet ihr in das Berufsleben eintreten und selbst für euch verantwortlich sein. Überlegt euch, welches eure Hoffnungen, Wünsche und Perspektiven für das Berufsleben sind. Überlegt euch auch, wie ihr die Ziele erreichen könnt. Was müsst ihr unternehmen, vielleicht schon im letzten Jahr der beruflichen Grundbildung? Denkt auch über das wirtschaftliche Umfeld nach, wie realistisch sind eure Vorstellungen? Fasst euch kurz und teilt der Klasse eure Berufsziele mit, anschliessend werden wir alle zusammen diskutieren.“

Nach einer Woche arrangieren die beiden Lehrer die Pulte im Schulzimmer zu einem Sitzungstisch. Am Anfang, will – wie üblich – niemand etwas sagen, dann aber meldet sich einer nach der anderen. Jürg beginnt: „Ich habe meinen Beruf aus Freude am Material gelernt. Mich haben immer alte Möbel interessiert, die nur von sehr geschickten Leuten gemacht werden können. Das heisst, ich muss mein Handwerk wirklich beherrschen und eine sehr gute praktische Abschlussprüfung machen, damit ich eine Chance habe. Eine Ausbildung gibt es für die traditionellen Techniken nicht, es werden Restauratoren-Kurse angeboten. Deshalb werde ich schauen, bei guten Handwerkern eine Anstellung zu finden. In Lungern gibt es einen Spezialisten für Intarsien. Vielleicht kann ich einige Monate bei ihm oder in seinem Auftrag arbeiten. Wenn ich mich auf traditionelle Techniken spezialisieren will, habe ich vielleicht im Bereich Restauration eine Chance. Auf jeden Fall werde ich selbstständig oder angestellt in einem Bereich arbeiten müssen, wo die Kunden bereit sind, viel Geld für ein Qualitätsprodukt auszugeben.“

Roger meldet sich als Zweiter: „Mich interessiert vor allem die Technik. Mit der Schreinerlehre habe ich eine Grundlage, möchte mich aber vor allem mit Planung beschäftigen. Das heisst, ich suche einen Betrieb, wo ich in der AVOR, der Arbeitsvorbereitung, einsteigen kann. Das heisst, ich muss eine Ausbildung als AVOR oder Produktionsplaner an einer Technikerschule machen oder Fachkurse besuchen. Dann melde ich mich noch vor den Sommerferien für den CAD-Fortsetzungskurs an, der im Freikursangebot unserer Schule ausgeschrieben ist.“

Stefanie hat Ähnliches vor: „Ich muss gleich vorgehen wie Du, denn mich interessiert Design. Dafür gibt es ebenfalls die Fachhochschule, aber auch an einer Technikerschule wie in Zug wird eine solche Ausbildung angeboten. Ich brauche dazu aber den Abschluss der gestalterischen Berufsmaturität, nicht der technischen wie Du, Roger oder eine Durchschnittsnote über 5.0. Mit dieser Note kann ich die Aufnahmeprüfung machen.“

„Ich sehe das etwas bodenständiger“, sagt Erich. „Mir gefällt die Vielfältigkeit des Berufs. Heute ein Dachfenster, morgen ein Bücherregal. Ich meine, es wird in Zukunft den Schreiner, der alles machen kann, was mit Holz zu tun hat, immer noch brauchen. Ich sehe mich als Dorf- oder Quartierschreiner, der in der Nähe seiner Kundschaft lebt und arbeitet. Vielleicht kann ich das Geschäft meines Onkels übernehmen.“

Maurus fährt weiter: „Mir gefällt der Umgang mit Leuten. Deshalb kann ich mir vorstellen, in einer grösseren Schreinerei als Berater zu arbeiten, der fachlich solide Auskunft geben kann. Vielleicht schaue ich bei den Stelleninseraten, ob ich etwas in einem Möbelgeschäft finde, wo ich eine Zeit lang als Verkäufer arbeiten kann. Weiterbilden werde ich mich wohl eher im kaufmännischen Bereich.“

Auch Bruno weiss, was er will: „Ich möchte einmal selbst ein Geschäft haben, als Geschäftsführer oder als Abteilungsleiter in einer grossen Schreinerei arbeiten. Dafür werde ich die eidg. höhere Fachprüfung machen müssen. Es gibt verschiedene Wege, wie man dazu kommt, z.B. an einer Technikerschule mit gestaffelten Blockkursen, während einem Jahr in Vollzeit oder ich besuche einzelne Kurse, die zusammen die ganze Ausbildung umfassen. Der Schreinermeisterverband bietet ein solches Programm in Modulen an.“

Andrea hingegen meint: „Mir reicht es, eine anständige Schreinerin zu sein. Wahrscheinlich kann ich sogar im Lehrbetrieb bleiben. Klar, muss ich mich in einzelnen Bereichen weiterbilden, vielleicht werde ich eine eidg. Berufsprüfung machen. Mir stehen verschiedene Möglichkeiten offen: Werkmeisterin, Monteurin, Maschinistin, Fertigung, Planung. Ich kann mir auch vorstellen, Lernende auszubilden und mein Wissen weiterzugeben wie mein Berufsbildner. Dazu muss man die Bildung für Berufsbildner/innen absolvieren, aber vor allem auch eine gute Berufsfrau sein und mit Leuten umgehen können. Ich trainiere ja schon jetzt die Junioren in meinem Volleyballklub und komme mit jungen Menschen gut zurecht.“

Romano sieht sich in einer anderen Rolle: „Ich werde kaum auf dem Beruf bleiben, vielleicht ein oder zwei Jahre. Vor allem möchte ich noch andere Gebiete kennen lernen. Vielleicht mache ich eine zweite berufliche Grundbildung als Polymechaniker oder als Kunststofftechnologe. Ich tüftle gerne und versuche immer alles auf eine andere Art zu machen. Du bringst mich auf eine Idee Stefanie. Am liebsten würde ich mit Designern arbeiten, die mit ihren Entwürfen zu mir kommen, und ich schaue dann, wie man das technisch umsetzt. Ich glaube, das hat Zukunft.“

Vorsichtig gibt Othmar seine Überlegungen preis: „Also, ich habe mehr einen Wunsch. Ich würde gerne an der ETH Architektur studieren. Dazu muss ich zuerst an die Fachhochschule. Die Berufsmaturität mache ich ja schon. Wenn ich die Fachhochschule abgeschlossen habe, kann ich nachher an der ETH einsteigen, aber bis dahin ist es noch ein langer Weg. Immerhin kann ich noch sagen, dass Peter Zumthor, der bekannte Architekt, auch einmal Schreinerstift war.“

Stephan: „Bei mir sind die Pläne nicht so hochtrabend. Ich bin ganz zufrieden, wenn ich z.B. Küchen montieren kann. Ich bin gerne auf Baustellen und gerne unterwegs. Wenn ich dann mal verheiratet bin, kann ich ja schauen, dass ich in der Produktion eine Stelle finde, damit ich nicht so sehr herumreisen muss.“

Urs: „Apropos reisen. Ihr wisst ja, dass ich eine Weltreise machen möchte. Nun hat mir ein älterer Schreiner in unserem Betrieb gesagt, dass es in Frankreich die Tradition der „compagnonnage“ gibt. Das sind Schreinergesellen auf Wanderschaft die von Schreinerei zu Schreinerei gehen, wie wir das bei uns von den Zimmerleuten kennen. Das möchte ich nach der beruflichen Grundbildung während einem Jahr tun – und werde deshalb im vierten Ausbildungsjahr den Französisch-Konversationskurs besuchen.“

Sascha: „Ehrlich gesagt, kann ich mir nicht vorstellen, mein Leben lang Schreiner zu sein. Ich habe vor, in ein anderes Gebiet einzusteigen. Im Moment schwanke ich zwischen Polizist und Buschauffeur. Für beide braucht es eine Fachausbildung. Aber auch Hauswart würde mich reizen, da könnte ich eine höhere Fachprüfung machen.“

Schliesslich überrascht Florian alle: „Ich habe eine ganz komische Idee. Denn ich will unserem Fachlehrer nacheifern, der ja auch einmal in diesen Bänken sass. Herr Schälin, können Sie mir sagen, wie das gegangen ist?“ Lehrer Schälin: „So unrealistisch ist dein Plan gar nicht. Als ich in der Lehre war, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dass ich einmal Lehrer an einer Berufsfachschule sein würde. Du bist ja schon jetzt weiter. Also, du wirst entweder die eidg. höhere Fachprüfung, eine Technikerausbildung oder die Fachhochschule absolvieren. Die Berufsmaturität machst du ja schon. Dann musst du im  Beruf arbeiten und schauen, dass du ein Teilzeitpensum an einer Berufsfachschule übernehmen kannst. Wenn du das geschafft hast, stehen die Chancen gut, dass du die Ausbildung zum Berufsfachschullehrer beginnen kannst. Du kannst aber auch Kursleiter bei den überbetrieblichen Kursen werden. Der Weg ist ähnlich, nur ist die Instruktorenausbildung einiges kürzer, als die für die Lehrkäfte an Berufsfachschulen.“

Es folgt eine lebhafte Diskussion in der Klasse, während der einige ihre Ziele überdenken und zum Teil auf neue Ideen kommen.

Hinweis
Dieser Text wurde vom Autor vollständig entwickelt und mit Fachleuten besprochen. Es können leider keine geeigneten Literaturangaben, für die weiterführende Auseinandersetzung mit dem Thema, gegeben werden.







 

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