Die Berufsbildner/innen können mit ganz unterschiedlichen Lernenden konfrontiert werden. Zum Beispiel mit motivierten, die sich auf die berufliche Grundbildung freuen, offen und neugierigsind. Meist bringen sie gute Schulnoten mit und haben das Glück, sich in ihrem „Traumberuf“ ausbilden zu lassen. Es gibt auch motivierte Jugendliche, die nicht so gute Schulnoten mitbringen, sich aber auf die praktische Arbeit sehr freuen und dank ihr oft den Zugang zur Theorie finden. Es gibt aber auch Minimalisten, Coole und Jugendliche, die mehr oder weniger zu einer Ausbildung gezwungen wurden.
Klare Führung, Toleranz und Fingerspitzengefühl. Gerade bei unmotivierten Jugendlichen ist die Berufsbildnerin oder der Berufsbildner manchmal die letzte Hoffnung, die einzige Bezugsperson, der es gelingen könnte, die Lernenden über ihre schwierige Phase hinweg zu begleiten und zu führen. Gefordert sind Einfühlungsvermögen, Intuition, viel Fingerspitzengefühl und das Gespür für die richtige Intervention zum richtigen Zeitpunkt:
- Klare Grenzen setzen. Minimale Rahmenbedingungen festlegen und Übertretungen auf die Ebene von Spielregeln bringen.
- Konflikte auf der Sachebene angehen. Trennen zwischen Intervention und Interaktion. Intervention ist eine zu ergreifende Massnahme, Interaktion meint die Wechselbeziehung zwischen Personen.
- Keine Schuldzuweisungen machen. In Konfliktsituationen Fehlverhalten benennen. Unakzeptables Verhalten weder ignorieren noch decken. Aufzeigen, wohin dies führen kann.
- Interesse für die Situation und Werte der Jugendlichen zeigen. Werte der Jugendlichen bieten Ansatzpunkt zum Gespräch. Eine gewisse Chaos-Toleranz entwickeln.
- Unkontrollierten Emotionen mit klarem Kopf und Vertrauen begegnen. Klare Grenzen setzen und Schadensbegrenzung beachten.
- Gratwanderung zwischen Schonen und Fordern. Wenn die momentane Lebenssituation beim Jugendlichen viel innere Substanz kostet, ist vorübergehendes Schonen angebracht (Schonraum für eine bestimmte Zeit aushandeln, was aber nicht heisst, dass die lernende Person während dieser Zeit überhaupt nichts leisten muss).
- Scheitern nicht vorwegnehmen. An die Möglichkeiten der Jugendlichen glauben und diese Überzeugung transparent machen.
- Ausbildungsplatz als Möglichkeit für positive Inszenierung. Jugendlichen, die das Bedürfnis haben, sich in Szene zu setzen, die Möglichkeit geben, sich mit Leistung inszenieren zu können. Unbequeme Selbstdarsteller/innen in das Team und die Ausbildungsregie einbauen.
Rahmenbedingungen der Berufsbildner/innen. Folgende Eigenschaften kennzeichnen den idealen Berufsbildner oder die ideale Berufsbildnerin: Auf den eigenen Beruf Stolz sein, Freude am Weitergeben des eigenen Know-hows haben und mit beiden Beinen in der beruflichen Praxis stehen. So vielfältig die einzelnen Berufsbildner/innen sind, so vielfältig ist auch die berufliche Grundbildung. Wichtig sind auch:
Echtheit. Die Ausbildungstätigkeit macht oft nur einen kleinen Teil der Aufgaben aus, die Berufsbildner/innen in einem Betrieb erfüllen müssen. Ihnen fehlt die Zeit, sich dauernd mit Fragen rund um die Bildung auseinanderzusetzen. In vielen Situationen müssen sie sich auf sich selbst verlassen können und tun so unverbildet das Richtige. Sie reagieren spontan und echt. Wirkung auf den Lernerfolg hat auch nur, was echt ist und der eigenen Persönlichkeit und der beruflichen Realität entspricht, denn: „Alle können nur mit den Steinen mauern, die ihnen zur Verfügung stehen!“ Dabei dürfen Schwächen sichtbar und Fehler möglich sein.
Empathie und Engagement. Mit Empathie wird die Fähigkeit bezeichnet, sich in jemanden hineinversetzen zu können. Den Lernenden mit Empathie und Engagement begegnen heisst, sie vorbehaltlos so zu akzeptieren wie sie sind und sich für sie einzusetzen. Dies ist der Nährboden für eine erfolgreiche Ausbildung und gegenseitiges Vertrauen.
Freude an der Berufsbildung. Sind die Berufsbildner/innen von ihrem Beruf und ihrer Berufung überzeugt und üben sie ihre doppelte Aufgabe mit Freude und Begeisterung aus, springt früher oder später der Funke auf die Lernenden über.
Selbstsicherheit. Wer unsicher und ängstlich immer davon ausgeht, nicht zu genügen und die Messlatte für sich selbst zu hoch steckt, gesteht sich nicht zu, Fehler machen und Schwächen zeigen zu dürfen. Für die Lernenden ist es aber sehr ermutigend zu sehen, dass auch Berufsbildner/innen nicht alles können und sich ab und zu irren, zu ihren Fehlern stehen und bereit sind, daraus zu lernen. Deshalb die Ermutigung zu herzhaftem Wagen und Vertrauen sowie natürlichem Unvollkommensein, gleichzeitig verstanden als Plädoyer für die bisher erbrachte Ausbildungsqualität.
Quelle: Handbuch betriebliche Grundbildung, SDBB, 2013
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