2.5.1 Die schulisch organisierte Grundbildung (SOG)


Die berufliche Grundbildung auf der Sekundarstufe II kann als Berufslehre in einem Betrieb (duales System) oder als schulisch organisierte Grundbildung (SOG) absolviert werden. Mehr als drei Viertel der Jugendlichen in einer beruflichen Ausbildung befinden sich in einer dualen Berufslehre. Schulisch organisierte Grundbildungen werden vor allem in Vollzeitschulen absolviert. Der Anteil der schulischen Teilzeitausbildung in der beruflichen Grundbildung ist gering. Seit 1990 sind die Anteile der Berufslehren und die beruflichen Grundbildungen, die in Voll- und Teilzeitschulen absolviert werden, verhältnismässig stabil geblieben.

Schulische Berufsbildung Vollzeit. Die Ausbildung findet in einer Schule statt, die den Ausbildungsgang (Gesamtheit von theoretischen und allenfalls praktischen Fächern) so organisiert, dass er die Hauptbeschäftigung der Schülerinnen und Schüler ist. Es handelt sich vor allem um Ausbildungen in Lehrwerkstätten, Handelsmittelschulen und Ausbildungen im Gesundheits- und Sozialbereich. Wer ein schulisches Vollzeitangebot besucht, absolviert entweder ein Praktikum in einem Betrieb oder erhält die schulische sowie die praktische Bildung am gleichen Ausbildungsort (Lehrwerkstätte).

Lehrwerkstätten. In der Lehrwerkstätte wird sowohl die berufliche Praxis als auch die allgemeine und berufskundliche Bildung vermittelt. Die Lehrwerkstätte wird weitgehend durch die öffentliche Hand finanziert. Von Bedeutung sind Lehrwerkstätten vor allem in Berufen, in denen nicht genügend Ausbildungsplätze durch die Wirtschaft angeboten werden können. In der lateinischen Schweiz ist der Anteil an Lehrwerkstätten höher als in der deutschen Schweiz. Die berufliche Grundbildung wird auch in Lehrwerkstätten mit der Abschlussprüfung abgeschlossen und führt zum geschützten Berufstitel.

Handelsschulen. Das 2004 in Kraft getretene Berufsbildungsgesetz (BBG) enthält keinerlei Bestimmungen mehr zu Handelsschulen und deren Diplomen mit eidgenössischer Anerkennung. Der einzige anerkannte Titel in der beruflichen Grundbildung, ausgenommen das eidgenössische Berufsattest EBA, ist das eidgenössische Fähigkeitszeugnis EFZ. Gemäss dem Projekt „Zukunft Handelsmittelschulen„, das 2014 abgeschlossen wird, erteilen die anerkannten öffentlichen oder privatrechtlichen Handelsmittelschulen das EFZ Kauffrau/Kaufmann denjenigen Schülern und Schülerinnen, die eine dreijährige Ausbildung erfolgreich absolviert haben. Kandidatinnen und Kandidaten, die sich auf die Berufsmaturität vorbereiten, müssen ein einjähriges Praktikum in einem Betrieb absolvieren, was zu einer vierjährigen Ausbildungsdauer führt.

Private Handelsschulen. Die privaten Handelsschulen bieten Aus- und Weiterbildungen in kaufmännischen Fächern an. Absolventinnen und Absolventen erhalten in der Regel ein schulinternes Diplom. Unter bestimmten Voraussetzungen (Praktikum) können sie zu den offiziellen Qualifikationsverfahren zur Erlangung des EFZ Kauffrau/Kaufmann zugelassen werden.

Fachmittelschulen. Fachmittelschulen sind kantonale Vollzeitschulen der Sekundarstufe II. Sie bieten anstelle der früheren Diplommittelschulen einen dreijährigen, erweiterten Bildungsgang an, der die Jugendlichen gezielt auf die tertiäre Berufsbildung in den Bereichen Gesundheit, Pädagogik und soziale Arbeit oder auf die Fachhochschulen im Bereich Kunst vorbereitet. Abgeschlossen wird die Fachmittelschule mit einem Fachmittelschulausweis. Daraufhin kann auch die Fachmaturität erworben werden.

Entwicklung. Die öffentlichen Lehrwerkstätten entstanden zwischen 1821 und 1900, als die Betriebslehre noch kaum entwickelt war. Vor allem in der Westschweiz, aber auch im Tessin, sind sie stärker verbreitet als in der deutschen Schweiz. Ein systematischer Ausbau der Ausbildungsplätze in Lehrwerkstätten war in der Schweiz bisher nicht erwünscht. 1986 lehnten die Stimmbürger eine entsprechende Volksinitiative mit grosser Mehrheit ab. In Bezug auf ihren Zweck haben sich die beruflichen Vollzeitschulen etwa wie folgt entwickelt: Lange galten Vollzeitschulen, insbesondere die Lehrwerkstätten, als Eliteschulen und waren z.B. für die Söhne von Firmen-Besitzern und Kadern eine Alternative zum Gymnasium. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte man die Vollzeitschulen als Mittel ein, Benachteiligten (Invalide, Anlehrlinge) eine Chance zu geben, eine berufliche Grundbildung zu erreichen. Dann wurde mit diesen Schulen das Ungleichgewicht zwischen zu wenigen Lehrstellen und grosser Nachfrage korrigiert. Typisches Beispiel sind die Damenschneiderinnen-Ateliers. Für Berufe, für die ein breites und vertieftes theoretisches Basiswissen verlangt wird, eignet sich die schulische Ausbildungsform. In diesem Zusammenhang werden auch vermehrt kombinierte Modelle mit Basislehren entwickelt, eine Variante, die bei den gestalterischen Berufen mit dem Vorkurs bereits bekannt ist.

Besonderheiten. Die Ausbildung der beruflichen Vollzeitschulen ist derjenigen der beruflichen Grundbildung im Lehrbetrieb auf Ebene des Lehrabschlusses gleich gestellt. Die Abschlussprüfung ist identisch, ebenso das eidg. Fähigkeitszeugnis oder das eidg. Berufsattest. Die Ausbildung kann in Schulen im Hinblick auf die Möglichkeiten und Bedürfnisse der Lernenden systematisch geplant und realisiert werden, weil nicht auf Arbeitsabläufe und Produktionsprozesse Rücksicht genommen werden muss. Die Verantwortlichen sind professionelle Berufsbildner/innen, deren Hauptaufgabe die Ausbildung von jungen Berufsleuten ist. Die Struktur erlaubt ihnen einen vernetzten Unterricht, weil sie sowohl die theoretischen als auch die praktischen Inhalte in einen Ausbildungsplan integrieren können. Deshalb müssen die Absolventinnen und Absolventen auch keine speziellen überbetrieblichen Kurse besuchen. Die Schüler/innen in Vollzeitschulen sind weiter weg von der Praxis, was wohl (neben den höheren Kosten für den Staat) der wichtigste Nachteil ist. Dieser kann durch das Erledigen von Kundenaufträgen und Berufspraktika teilweise kompensiert werden.

Die nachfolgende Liste zeigt Beispiele von Mittelschulen und schulisch organisierten beruflichen Grundbildungen auf der Sekundarstufe II.
Die Liste ist nicht abschliessend.

Mittelschulen:
Fachmittelschulen
Gymnasien

Schulisch organisierte Grundbildungen
Handelsmittelschulen (öffentliche und privatrechtliche)
Lehrwerkstätten
Private Informatikschulen
Berufsfachklassen der Kunstschulen







 

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